
… ich bin wütend. Ich würde gerne schreiben, ich bin schockiert, entsetzt oder zumindest überrascht, aber nichts davon trifft zu, außer: ICH BIN WÜTEND. Ich bin wütend über jede einzelne Person, die sich bei den Bundestagswahlen dafür entschieden hat, die eigene Stimme der AfD zu geben. Die ihre demokratischen Privilegien – nämlich wählen zu dürfen – gezielt und bewusst genutzt hat, um eine Partei zu stärken, die sich offen gegen demokratische Grundwerte, gegen Freiheit, gegen Menschenrechte ausspricht. Ich bin wütend, weil viele der Wähler:innen tatsächlich der Meinung sind diese Partei zu wählen wäre ein Protest gegen das bestehende System. Ich bin wütend darüber, dass immer wieder gesagt wurde, wir hätten den Nationalsozialismus oft genug im Geschichtsunterricht durchgekaut und diese Wahl, aller spätestens diese Wahl, mehr als verdeutlicht, dass wir rein gar nichts aus der Geschichte gelernt haben. Und ich bin wütend, weil es ziemlich unausweichlich ist, dass unser neuer Bundeskanzler Friedrich Merz sein wird – wie genau soll ich das meiner Tochter erklären? Wie soll DAS irgendjemand seiner Tochter erklären? Wie können wir uns selbst erklären, dass 2025 tatsächlich jemand zum Bundeskanzler gewählt wurde, der dagegen gestimmt hat, dass Vergewaltigung in der Ehe strafbar ist? Der männlich gelesene Menschen mit Migrationshintergrund als „kleine Paschas“ bezeichnet? Der die Brandmauer zur AfD bewusst und gezielt nieder gerissen hat – zum ersten Mal seit Ende des zweiten Weltkriegs? Der die Reichen noch reicher machen möchte und die Menschen, die ohnehin schon (fast) nichts haben, auch noch mit Füßen tritt, sich über sie lustig macht und sie in seiner Politik nicht nur nicht mitdenkt, sondern sie zum eigentlichen Problem erklärt, das bekämpft werden muss? Wie soll man erklären, dass ein Mann Kanzler werden konnte, der immer noch – IMMER NOCH – der Meinung ist Schwangerschaftsabbrüche – EIN THEMA DAS IHN ÜBERHAUPT NICHT BETRIFFT, WEIL ER NICHT SCHWANGER WERDEN KANN – zu kriminalisieren und weiterhin im Strafgesetzbuch zu verankern und damit über die Köper von Frauen* bestimmen zu dürfen? Wie? Ich frage: WIE KANN MAN DAS ÜBERHAUPT JEMANDEM ERKLÄREN?
Ich bin wütend. Ich bin unglaublich wütend.
Meine Oma wurde im Mai 1933 geboren, etwa vier Monate nachdem Adolf Hitler zum Reichskanzler erklärt wurde. Meine Oma war sechs Jahre alt als der, durch Adolf Hitler von langer Hand geplant, zweite Weltkrieg losgetreten wurde. Meine Oma war zwölf Jahre alt, als der zweite Krieg offiziell verloren war. Ihre erste Lebenshälfte war von Kriegsvorbereitungen gezeichnet, die zweite Hälfte vom Krieg. In diesen zwölf Jahren erlebte meine Oma – privilegiert durch die Tatsache „rein deutsch“ und katholisch zu sein – wie Menschen systematisch entmenschlicht wurden. Wie der Hass gegen Juden dadurch geschürt wurde eine künstliche gesellschaftliche Kluft zwischen „uns“ und „denen“ zu erzeugen. Wie die Angst vor „anderem“ und vor allem die Angst, dass „die“ mehr haben als „wir“, erzeugt und ausgeschlachtet wurde und wie die Politik, nachdem sie all die Angst geschürt hatte, aus ihr heraus Hass instrumentalisierte. Nur durch dieses Schüren von Angst und Hass, nur das entmenschlichen aufgrund von Religionszugehörigkeit, hat den zweiten Weltkrieg, den Holocaust überhaupt möglich gemacht. Nein, es waren nicht nur die Menschen, die sich selbst als Nationalsozialisten – Nazis – bezeichnet haben, es war nicht nur die NSDAP, die den Massenmord an Jüdinnen und Juden, an Homosexuellen, an Menschen mit Beeinträchtigung möglich gemacht haben – das waren diejenigen, die diese kranke Weltanschauung propagiert haben. Die Menschen, die den Holocaust ermöglicht haben, waren all diejenigen, die zugesehen haben – die mitgelaufen sind – die NICHT aufgestanden sind. Diejenigen, die den Holocaust ermöglicht haben, waren auch all diejenigen, die von der Enteignung, der Deportation und dem Mord an diesen Menschen profitiert haben und immer noch profitieren. Meine Oma war ein Kind und war dazu gezwungen sich fast täglich in Bombenschutzkellern zu verstecken und dort auszuharren. Nicht zu wissen, ob das Gebäude über dem Keller nach dem Luftangriff noch steht, ob das eigene Zuhause noch da ist, ob Mutter und Vater noch leben, wenn man den Schutzbunker wieder verlassen durfte. Meine Oma war mit zehn Jahren gezwungen Phosphorleichen – die Leichen von Freunden und Nachbarn – zu stapeln, als wären diese Menschen nur noch Schutt und Müll, der schnellst möglich beseitigt werden muss. Ich bin mit den Geschichten meiner Oma aufgewachsen. Ich war da, als während dem Irakkrieg amerikanische Kampfflugzeuge Deutschland überflogen haben und der Lärm so groß war, dass meine Oma sich weinend wie ein kleines Kind in der Speisekammer verkrochen hat – als sie Angst um ihr Leben hatte, weil sie die Geräusche an ihre Kindheit, an die Nazis, an die Bomben erinnert haben. Meine Urgroßeltern waren vielleicht keine großen Widerstandskämpfer während des zweiten Weltkriegs, aber meine Urgroßeltern haben Menschen, die auf der Flucht waren, mit Lebensmittel und Kleidern, mit allem, was irgendwie zu entbehren war, versorgt. Ein Vermächtnis, auf das ich nicht nur unendlich stolz bin, sondern für das ich auch Verantwortung übernehmen möchte – und muss.
Mit der AfD sind Menschen in den Bundestag eingezogen, die den Holocaust leugnen. Die die geschichtlichen Ereignisse verdrehen. Alice Weidel behauptete tatsächlich, Adolf Hitler wäre nicht rechtsextrem gewesen, er wäre ein antisemitischer linker Kommunist gewesen. Mit der AfD und auch mit der Union aus CDU/CSU sind Menschen im Bundestag, die die gleichen Mechanismen anwenden, wie Adolf Hitler und die NSDAP im zweiten Weltkrieg – Angst, Hass und ein „wir“ gegen „die“. Es sind Menschen an der Macht, die die Gewalttaten Einzelner medial ausschlachten und für ihren Wahlkampf ausnutzen … natürlich nur dann, wenn der/die Täter:in Fluchterfahrung oder Migrationshintergrund hat. All die Femizide, bei denen der Täter Deutscher war, werden im Wahlkampf, aber sicherlich auch danach, unter den Teppich des Vergessens gekehrt. Im Bundestag sitzen Menschen, die zuerst „illegale Migranten“, dann „straffällige Migranten“ und als bald alle Menschen mit Migrationshintergrund „remigrieren“ wollen.
Ich habe meine Möglichkeiten genutzt, habe gewählt – Erst- und Zweitstimme für die Linke, auch und obwohl ich nicht mit allen Punkten ihres Wahlprogramms übereinstimme. Auch und obwohl auch in den Reihen der Linken Politiker:innen sind, die sich ihren in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen stellen und diese reflektieren müssen. Ich habe die Linke gewählt, weil sie die einzige Partei waren, die überwiegend meine – unsere, denn ich muss bei meiner Entscheidung meine Tochter mitdenken – Interessen vertritt. Und ich habe die Linke gewählt, weil der Rechtsruck so unglaublich groß ist, dass wir dem nur LINKS entgegensetzen können … entgegensetzen MÜSSEN.
Die nächsten Jahre werden hart. Nicht nur in Deutschland, sondern global betrachtet. Trump ist der mächtigste Mann der Welt und entscheidet nun gemeinsam mit Putin über die Zukunft der Ukrainer:innen. Er ist der mächtigste Mann der Welt und setzt sich dafür ein, dass die Geschichte verklärt wird, indem er behauptet und darauf besteht, dass Russland nicht der Aggressor im Ukrainekrieg wäre. Wir stehen einer Situation gegenüber, in der Deutschland eine leitende Funktion in der Europäischen Union einnehmen müsste und um diese Funktion zu erfüllen, um unserer Verantwortung gerecht zu werden, haben wir niemand anderen zu bieten als Friedrich Merz. Wenn Menschen in 100 Jahren die Geschichtsbücher wälzen, werden die Jahre 2024 und 2025 bedeutend sein. Wenn Menschen in 100 Jahren zurück blicken, werden sie die Wahlergebnisse in den USA und in Deutschland sehen und werden sich fragen WIE? WIE KONNTE DAS PASSIEREN?
Und ich hoffe, ich hoffe so sehr, dass die Menschen dann etwas daraus gelernt haben. Wie oft habe ich gehört „Wie konnte der zweite Weltkrieg zugelassen werden? Wie konnten die Menschen das zulassen?“ – unzählige Male. Und mir bleibt nichts anderes als dazu zu sagen: Sie konnten es damals genau so zulassen, wie sie es heute zugelassen haben. Sie haben damals genau so die NSDAP gewählt, wie sie heute die AfD gewählt haben. Sie haben sich damals aktiv gegen Menschenrechte ausgesprochen, genau so wie sie heute aktiv gegen Menschenrechte gewählt haben. Und warum? Weil es ja erst mal nur die Menschenrechte „der anderen“ waren. Bis es dann die eigenen Menschenrechte waren.
Ich bin müde. So unendlich müde. Aber ich bin es meiner Oma und meiner Uroma schuldig Verantwortung zu übernehmen und ich bin es meiner Tochter schuldig alles in meiner Macht stehende zu tun, um Menschenhass zu verhindern. Ich bin es diesem Vermächtnis schuldig die Grundrechte zu schützen. Und ich bin wütend. Ich bin unendlich wütend. Und damit bin ich nicht allein. Vielleicht konnten wir ein „nie wieder“ nicht verhindern. Wir konnten nicht verhindern, dass Nazis im Bundestag sitzen. ABER WIR KÖNNEN LAUT SEIN. WIR KÖNNEN WÜTEND SEIN. WIR KÖNNEN KÄMPFEN.
Diese Wut, diese berechtigte Wut, hat der Linken Aufschwung gegeben, hat eine totgeglaubte Partei durch das Feuer und aus der Asche zurück in den Bundestag katapultiert. Diese Wut hat Zusammenhalt geschaffen – daran müssen wir uns festhalten und uns gemeinsam klar gegen rechts positionieren!
Ich sage es hier noch ein weiteres Mal: Ich möchte niemanden unter meinen Lesern / Followern haben, der sein Kreuzchen bei AfD, FdP oder Union gesetzt habt. Und ich sage es jetzt frei heraus und ganz direkt: VERPISST EUCH! Der Müll darf sich selber raus tragen!
Das hier – dieser Blog, mein Instagramprofil, jede meiner Seiten – soll ein Safespace sein. Jede:r, abgesehen von Nazis und Nazi-Sympathisant:innen, soll sich hier wohl und vor allem sicher fühlen. Damit gute Nacht und FUCK NAZIS!